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Podcast zum Thema Wertpapierkredit auf Apple PodcastSpotify oder Google Podcast

Lombardkredit: Ja oder Nein?

Soll ich nicht einen Kredit aufnehmen, mir davon Aktien kaufen und die Tilgung durch die Rendite bedienen? Klingt in der Theorie gar nicht so schlecht, aber in Praxis ergeben sich einige Probleme, die das Vorhaben mächtig vermasseln können. Aber ist es nicht vielleicht doch sinnvoll, Aktien auf Pump zu kaufen? Um genau diese Frage zu beantworten, sprechen wir heute über den Wertpapierkredit und schauen uns hierzu ein konkretes Beispiel an.

Wertpapierkredit: Aktien auf Pump

Klar ist, dass man heute alles auf Kredit kaufen kann: Neue Möbel, ein neues Handy, den neuen Fernseher oder auch eine Immobilie. Für die Bank ist es auch das stärkste Geschäft, denn das sogenannte Zinsdifferenzgeschäft macht gut 2/3 der operativen Erträge aus. Auch Aktien kann man auf Kredit kaufen und einen Kredit zu nutzen wird sehr stark vermarktet und als das natürlichste der Welt verkauft.

Um Aktien auf Kredit zu kaufen, brauchst du im Prinzip nur einen simplen Privatkredit, der nicht zweckgebunden ist. Dann darfst du ihn auch zum Kauf von Aktien nutzen. Viele Kredite sind allerdings zweckgebunden (Leasingkredite, Immobilienkredite und so weiter). Daher gibt es auch noch einen eigenen Kredit für den Kauf von Aktien, den sogenannten Wertpapierkredit oder auch Lombardkredit. Damit kannst du Schulden machen, um Aktien zu kaufen.

Die Idee hinter dem Kauf von Aktien auf Pump ist simpel: Wenn der Wert von Aktien doch ohnehin ständig steigt und dir eine Rendite bescheret, dann kannst du doch auch einen Kredit aufnehmen, das Geld investieren und aus der Rendite den Kredit tilgen und den Rest der Rendite streichst du selbst ein. Das klingt erst einmal logisch und hierzu habe ich auch schon eine Frage von einem Hörer bekommen. Aber die Theorie ist da natürlich etwas einfacher, als die Realität es einem tatsächlich erlaubt.

Bevor wir uns aber das konkrete Beispiel anschauen, sprechen wir erst einmal über die Funktion eines Wertpapierkredits. Bei einem Wertpapierkredit kannst du dein eigenes Depot beleihen. Je sicherer dein Depot ist, desto höher ist der Kredit, den du dafür bekommst. Das heißt also, die Bank nutzt dein Depot als Sicherheit und stellt dir dafür einen Kredit zur Verfügung.

Beispiel der comdirect

Um das Ganze noch ein bisschen konkreter zu machen, gehen wir ein Beispiel anhand der Konditionen von comdirect durch. Voraussetzung ist ein Mindestvolumen von 3.000€ im Depot. Dann gibt es einen Wertpapierkredit mit gut 4% Zinsen pro Jahr. Zinsen zahlst du nur für den in Anspruch genommen Kreditrahmen. Du kannst den Betrag mit einer Einmalzahlung tilgen oder in Raten. Die Zinsen sind vierteljährlich fällig und der Beleihungswert liegt bei bis zu 80% für Anleihen mit hoher Bonität. Für Aktien-ETFs liegt der Wert bei 70%. Je sicherer bzw. weniger volatil deine Anlagen sind, desto höher ist der Beleihungswert. Du kannst den Kreditrahmen auch überziehen, wie den Dispo bei einem Girokonto. Dann liegt der Zinssatz aber bei gut 11%. Jetzt aber zum Beispiel:

  • Depotwert von 20.000€
  • Aktien-ETFs als Anlage
  • 70% Beleihungswert =14.000€
  • Zinssatz 4% p.a. (vierteljährlich fällig = 140€)

Solange du also nichts tilgst und der Kreditrahmen bei 14.000€ bleibt, musst du jedes Jahr deine 4% Zinsen tilgen. Das sind 560€ pro Jahr. Da die Rendite bei einem breit gestreuten Aktien-ETF aber real nur bei gut 4% liegt, lohnt sich der Kredit nicht. Das heißt also, dass du in volatilerer Geldanlagen investieren musst. Zum Beispiel in Einzelaktien. Außerdem musst du zur Tilgung deiner Zinsen und auch später zur Tilgung des Kredits deine Anteile wieder verkaufen, was deine Rendite ebenfalls schmälert. Denn dort fallen Ordergebühren und Steuern an.

Noch schlimmer wird es, wenn du in risikoreichere Anlagen gehst und diese dann im Wert fallen. Jetzt musst du die Zinsen aus einem anderen Topf zahlen. Außerdem ist deine Kreditsumme nicht mehr gedeckt. Mit deinem eigenen Geld und den 14.000€ Kredit hattest du vorher 34.000€ im Depot. Wenn die Kurse jetzt stark fallen (wie zu Beginn bei Corona um 20% und mehr), dann liegt dein eigener Depotwert nur noch bei gut 27.000€. Jetzt hätte die Bank gerne eine neue Sicherheit, um diese Differenz auszugleichen. Du musst also weiteres Geld aus eigener Tasche nachschießen und wenn du das nicht hast, dann kann die Bank deine Depotwerte auch verkaufen. Und zwar zum schlechtesten Zeitpunkt – nämlich während der Krise.

Fazit

Macht es also Sinn Aktien auf Pump zu kaufen: Aus meiner Sicht ein ganz klares „Nein!“. Denn du kannst den Kredit nur aufnehmen, wenn du die gleiche Summe als Cashreserve hast. Aber dann brauchst du den Kredit nicht und kannst dein vorhandenes Geld investieren. Außerdem wollen wir langfristig investieren und Schwankungen aushalten können. Wenn du dann aber einen Kredit zu bedienen hast, der auch noch vom Kurs deiner Werte im Depot abhängt, schaffst du es einfach nicht. Du musst in der Krise verkaufen und realisierst deine Verluste.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass du mit einem breitgestreuten ETF keine Überrendite erwirtschaften kannst (4% Rendite = 4% Zinsen). Das heißt, du kannst durchschnittlich lediglich die Zinsen zahlen, aber sehr wahrscheinlich nicht den eigentlich Kredit. Daher musst du in konzentriertere Geldanlagen investieren, die dann aber auch wieder risikoreicher sind. Um einen Kredit zu tilgen, brauchst du aber sichere Einnahmen. Du siehst also das Problem der Idee: Du versucht eine lineare Schuldentilgung, mit volatilen Geldanlagen zu finanzieren. Das kann einfach nicht gut gehen. Insgesamt sind also die Chancen bei steigenden Kursen niedriger, als die Risiken bei fallenden Kursen. Investiere daher nur das Geld, dass du auch wirklich hast und in Zukunft nicht dringend brauchst. Nur so kannst du langfristig und mit moderatem Risiko dein Vermögen aufbauen.

Dazu kommt noch der psychologische Druck der Schuldenlast. Denn gerade in unsicheren Zeiten, in einer Krise, musst du einen kühlen Kopf bewahren und darfst nicht voreilig deine Anteile verkaufen. Mit einem Wertpapierkredit hast du aber immer die Befürchtung, das dein Depot nicht mehr als Sicherheit reicht und die Bank deine Anteile verkauft. Und genau das darf in einer Krise nicht passieren. Du musst die Freiheit haben, die fallenden Kurse aussitzen zu können, weil du das Geld eben nicht brauchst. Also noch einmal, Aktien kaufen auf Kredit hat keinen Sinn, also lass es einfach. Übrigens auch nicht mit einem Privatkredit.

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